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Blitze, die ins Auge gehen

Valeria Pagani, 04.09.2020
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Augennotfälle, wie Roger Guerdi einen erlebte, kommen häufig vor. Das Kantonsspital Aarau (KSA) bietet rund um die Uhr einen Augennotfalldienst an, um solche Notfälle zu behandeln.

Roger Guerdi war im Auto unterwegs, als er auf einmal das Gefühl hatte, nicht mehr klar zu sehen. Es war Freitagabend vor seinen grossen Sommerferien. Der 50-Jährige hatte arbeitsintensive Monate hinter sich und war sich deshalb sicher: «Mein Körper ist wohl bereits am Herunterfahren. Das kann nichts ‹Wildes’ sein. » Doch das seltsame Gefühl in seiner visuellen Wahrnehmung machte sich am Sonntag erneut bemerkbar. Als er mit der Hand beide Augen abwechslungsweise abdeckte, folgte der Schock: Im Sichtfeld seines linken Auges zeigte sich bis auf einen kleinen Winkel nur noch eine schwarze Fläche. Jetzt war Guerdi klar, dass er sofort zu einem Augenarzt musste. Roger Guerdi rief das Notfallzentrum des Kantonsspitals Aarau (KSA) an. Als er gegen 18 Uhr im KSA eintraf, wurde er in der Augenklinik bereits erwartet. Die Augenklinik des KSA bietet an 365 Tagen rund um die Uhr einen Augennotfalldienst an. Guerdi hatte Glück und konnte sogleich vom diensthabenden Ophthalmologen (Augenarzt) untersucht werden. Der Chefarzt der Augenklinik, Prof. Dr. Marcel Menke, betont: «Kein anderes Organ kann so präzise erfasst und vermessen werden wie das Auge. Eine umfangreiche Abklärung ist notwendig, um optimal behandeln zu können. » Nach gründlicher Untersuchung lag schliesslich die Diagnose vor: Roger Guerdi erlitt eine Netzhautablösung. Netzhautablösungen können sich innerhalb weniger Stunden entwickeln. Chefarzt Menke erklärt: «Die Netzhautablösung ist ein schmerzloser Prozess. Wenn nicht beide Augen betroffen sind, kompensiert das gesunde Auge das Sehvermögen so gut es geht. Leider bemerken Patientinnen und Patienten die Ablösung deshalb häufig zu spät. » Es gäbe aber typische Anzeichen wie die Wahrnehmung von «Mückenschwärmen», Russregen oder Blitzen in den Augen, die auf eine Netzhautablösung hindeuten. Roger Guerdi erinnert sich an diese Symptome, doch –wie so viele – kannte er ihre Bedeutung nicht. Von 100000 Menschen erleiden statistisch zehn bis zwanzig pro Jahr eine Netzhautablösung. Das KSA ist das einzige Spital im ganzen Kanton, das diese Augenerkrankung versorgt. Das Team von Prof. Dr. Menke operiert fast wöchentlich einen Notfallpatienten oder eine Notfallpatientin mit einer Netzhautablösung. Darunter sind auch Patienten, die aus anderen Kantonen dem KSA zugewiesen werden.

Typische Augennotfälle

Nebst der Notfallbehandlung bietet die Augenklinik des KSA auch ein breites Spektrum an Diagnostik und Therapien an, die geplant durchgeführt werden. Für die zahlreichen Augennotfälle unterschiedlichster Art sind rund um die Uhr gleich drei Augenärzte am KSA erreichbar. Typische Augennotfälle sind Entzündungen der Bindehaut oder der Lider, allergische Probleme, Fremdkörper im Auge, Verletzungen durch Schläge oder Infektionen der Hornhaut, häufig verursacht durch Kontaktlinsen, die falsch behandelt, zu lange getragen oder nicht ordentlich gereinigt wurden. Die meisten operativen Eingriffe finden im hochspezialisierten Operationssaal direkt in der Augenklinik statt. Bei Patienten mit einem Polytrauma (z.B. Autounfall) arbeiten die Augenspezialisten eng mit anderen Disziplinen wie der Traumatologie, Anästhesie oder Neurologie und Neurochirurgie zusammen. Im KSA können die Patientinnen und Patienten vollumfänglich interdisziplinär betreut werden. Roger Guerdi wurde zwei Tage nach der Notaufnahme unter Vollnarkose operiert. Die Netzhautablösung seines linken Auges war bereits so weit fortgeschritten, dass einer Notoperation am selben Tag keine höheren Heilungschancen zugerechnet wurden. Marcel Menke erklärt: «Wenn das Sehzentrum, die sogenannte Makula, sich bereits abgelöst hat, ist es schwierig, vorherzusagen, wie viel Prozent der Sehschärfe wiederhergestellt werden können. »

Marcel Menke
Chefarzt Marcel Menke: «Das Augenlicht ist für uns Menschen ein extrem kostbares Gut. Rund 80 Prozent unserer Umwelt nehmen wir mit unseren Augen wahr.»

 

Heilung braucht Geduld

Was die Fachärzte in den meisten Fällen wiederherstellen können, ist das Gesichtsfeld. So auch bei Roger Guerdi. Nach der Operation war er zwei Tage stationär. Daran erinnert er sich: «Es ging mir nicht so gut. Ich hatte Schmerzen, und die Ungewissheit, was die Netzhautablösung für meine berufliche Laufbahn bedeutet, bereitete mir Sorgen. » Umso mehr habe er die fürsorgliche Pflege im KSA und die verständlichen Erklärungen der Fachärzte zum Heilungsverlauf geschätzt. Heute, zwei Monate nach der Operation, beträgt die Sehschärfe am operierten Auge wieder 65 Prozent. Guerdi weiss, dass die Fachärztinnen und -ärzte des KSA alles unternommen haben, um seine Sehkraft bestmöglich wiederherzustellen. Sie haben ihn auch mental unterstützt, um mit der neuen Situation umgehen zu können. Der Heilungsprozess ist noch nicht abgeschlossen, und eine weitere Besserung in den nächsten sechs bis acht Monaten steht in Aussicht. Für ihn ist klar: «Es wird zwar nicht mehr gleich wie früher, doch ich muss mich jetzt in Geduld üben – auch das will gelernt sein. » Sein Notfall habe ihm im wahrsten Sinne des Wortes «die Augen geöffnet». Er habe gemerkt, wie wichtig es sei, auf den Körper zu hören und Signale frühzeitig zu erkennen und ernst zu nehmen.

«Augennotfälle zählen zu den häufigsten Notfällen überhaupt. Die Angst vor einer Erblindung ist gross, daher kommen die Leute in der Regel eher rasch ins Spital. Das ist wichtig, denn je früher wir die Augenprobleme behandeln können, desto besser stehen die Chancen, die Sehkraft zu erhalten.»

Prof. Dr. Marcel Menke, Chefarzt Ophthalmologie

Die Augenklinik des KSA

Chefarzt Prof. Dr. Marcel Menke und sein Team behandeln jedes Jahr weit über 32000 Patientinnen und Patienten mit Augenkrankheiten und -verletzungen aller Art. Die Augenklinik führt jährlich über 6000 Eingriffe am Auge durch. Viele Patienten kommen als Notfälle in die Augenklinik. Das Patientenspektrum reicht vom Frühgeborenen bis zum Hochbetagten. Augenkrankheiten und -verletzungen können schmerzhaft, sehbedrohend oder gar lebensbedrohlich sein. Es ist deshalb besonders wichtig, bei akuten Augenbeschwerden frühzeitig einen Augenarzt aufzusuchen. Die Augenklinik bietet dafür ein hochspezialisiertes Team und eine modernste Infrastruktur. www.ksa.ch/augenklinik

Rund um die Uhr bereit für die Aargauer Bevölkerung

Das KSA spielt eine zentrale Rolle im Kanton

Die Notfallversorgung ist im Kanton Aargau, wie sie am ­Beispiel des Augennotfalls von ­Roger Guerdi oben beschrieben wird, rund um die Uhr gewährleistet. Das Kantonsspital Aarau (KSA) zeichnet sich im Speziellen durch eine dauerhafte Bereitstellung höchster medizinischer Fachexpertise aus – unabhängig davon, ob die Fachärztinnen und Fachärzte unmittelbar einen Einsatz haben. Aufgrund seiner Grösse und Bedeutung für den Kanton ist das KSA für die Versorgungssicherheit der Aargauer Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Das KSA ist das grösste Spital des Kantons und mit 4607 Mitarbeitenden einer der bedeutendsten Arbeitgeber. Das KSA erbringt Leistungen von der Grundversorgung bis zur hochspezialisierten Medizin und behandelt jährlich 29000 stationäre und 534000 ambulante Fälle.

Jederzeit bereit für Notfälle und komplexe Fälle

Die Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft während 365 Tagen bringt dem KSA in seiner Rolle als führendes Spital eine Reihe von Aufgaben von öffentlichem Interesse, die aber durch stationäre oder ambulante Tarife nicht gedeckt sind und die deshalb auch nicht angeboten werden, wenn der Kanton sie nicht mitfinanziert. Aktuell nicht unterstützt werden alle Leistungen des KSA als Endversorgerspital in den Bereichen der spezialisierten und hochspezialisierten Medizin. Das KSA stellt gerade in diesen Bereichen medizinische Infrastruktur und hochqualifizierte Fachspezialistinnen und Fachspezialisten bereit – auch an Weihnachten, Silvester, mitten in der Nacht und natürlich tagsüber, wenn das Spital im Vollbetrieb läuft. Damit stellt das KSA sicher, dass es jeden Notfall jederzeit in höchster Qualität bewältigen kann. Das KSA ist als einziges Spital des Kantons in der Lage, fast sämtliche komplexen Fälle eigenständig zu versorgen. Eine Verlegung der Patientinnen und Patienten an ein Universitätsspital ist nicht notwendig. Auch deshalb werden viele Fälle aus anderen Aargauer Spitälern ans KSA verlegt und dort behandelt.

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